Eine Hochzeit mit Tradition

Nur ein paar Wochen nach meiner Ankunft luden unsere Nachbarn mich zu ihrer Hochzeit ein. Ich war ziemlich überrascht darüber, weil ich erst zweimal bei ihnen zu Besuch war und sie mich deswegen eigentlich noch kaum kannten. Doch dann kam mir der Gedanke, dass meine Gastfamilie schon vor einigen Wochen eingeladen haben mussten, als ich selbst noch in Deutschland war. Auch wenn sie mich also noch nicht so gut kannten, war ich für sie also schon Teil meiner Gastfamilie und damit in ihrer Einladung mitinbegriffen. Ich bin wirklich dankbar, dass ich von ihnen so schnell in die Gemeinschaft aufgenommen wurde. Trotzdem war ich nicht darauf gefasst, dass sie mir ein Kleid aus mehreren Lagen rosa Stoff zeigten und mir ganz nebenbei mitteilten, ich würde eine Brautjungfer auf ihrer Hochzeit sein.


Potjolo, Precious und Dolly erzählten mir später einiges über den Ablauf und die Tradition einer Hochzeit in ihrer Gesellschaft. Um eine Frau heiraten zu dürfen, muss die Familie des Mannes Labowla zahlen. Dies ist eine Summe an Rand (der südafrikanischen Währung) für die Familie der Braut. Manchmal kommen traditionell auch noch einige Kühe dazu, was heute in den Stadtgegenden aber eher selten geworden ist. Der Betrag wird während eines Treffens beider Familien meist von Vätern und Onkeln ausgehandelt. Das kann mitunter auch schon mal einen ganzen Tag dauern, was aber nicht an Uneinigkeiten liegen muss. Grund dafür ist dann eher eine gesellige Runde. Die Hochzeit selbst wird dann oft in der Heimat der Familie oder direkt im Elternhaus gefeiert. Natürlich nicht direkt im Haus, das wäre für die meisten Familien viel zu eng. Stattdessen werden z.B. Zelte oder Pavillons auf dem Grundstück aufgebaut.
Die Hochzeit meiner Nachbarin Mapepho begann mit einer Trauung in der Kirche und ging dann in einen traditionellen Teil über, einer Feier mit Hochzeitsliedern auf Tsetswana, verschiedenen Tänzen und traditioneller Kleidung. Manche Hochzeiten werden auf diese Weise ein ganzes Wochenende lang gefeiert.
Am Abend vor der Hochzeitsfeier wurden wir von zwei „Minitaxis“ abgeholt. Mit diesem Namen haben die Taxis hier aber nicht viel gemein. So hatten beide Autos auf der Straße vor unserem Haus eher die Größe eines Anrufbusses. Auf der Straße hatten sich schon einige Familienangehörige und Freunde versammelt, sodass es trotz der Kleinbusse doch ganz schön eng wurde. Ein paar Personen verbrachten die gut sechsstündige Fahrt auf dem Fußboden im schmalen Gang neben den Sitzen.
Es war schon weit nach Mitternacht als wir im kleinen Dorf ankamen, in dem Mapephos Eltern wohnen. Eine Handvoll Häuser waren in einer ländlichen Gegend verteilt, die so wirkt, wie ich mir immer eine Savanne vorgestellt habe. Aber wir waren noch lange nicht weit genug draußen, um wilde Tiere zu Gesicht zu bekommen. Die Häuser in der Nachbarschaft um uns herum standen etwa 200 Meter bis zu einem Kilometer weit auseinander. Deshalb gab es hoffentlich keine aus dem Schlaf gerissenen Nachbarn als wir hupend und Glückwunschs-Lieder singend die Familie begrüßten. Sie boten uns ihrerseits zwei riesige Schüsseln voller Pap und Fleisch als Begrüßungsessen an, als wir in ihrem Wohn- und Esszimmer saßen. Leider hatte ich zu dieser späten Stunde keinen sonderlichen Appetit und nahm mir nur aus Höflichkeit eine kleine Portion Pap. Nach einer abschließenden Teerunde liefen wir zu einem größeren Haus in der Nachbarschaft um uns auszuruhen und für die Hochzeit umzuziehen. Außer mir waren da noch vier andere Brautjungfern, darunter auch Mmane Dikeledi, Potjolos Mutter, und zwei kleine Blumenmädchen in weißen Tüllkleidern.
Der Trauungsgottesdienst begann gegen zehn Uhr morgens. Während wir die Schleppe des mit Perlen bestickten Brautkleides trugen liefen wir langsam auf die weiße Kirche zu. Von außen sah diese für mich wie eine gewöhnliche Kirche aus. Innen wirkte sie mit dem rot und gelb gekachelten Fußboden und verschiedenen Bildern an den Wänden jedoch viel bunter, als ich es gewohnt bin. Es war noch eine weitere Hochzeitsgesellschaft anwesend, die weitgehen in fliederfarbenen Kleidern oder Hemden gekleidet war. Das zweite Brautpaar war etwas jünger und wartete schon vor dem Altar auf uns.
Die Trauung beider Paare fand im gleichen Gottesdienst statt, welche der Priester abwechselnd ansprach. Auch wenn ich fast kein einziges seiner Worte verstand, haute mich dieser Priester regelrecht um. Er war ein älterer, korpulenter Mann mit einer tiefen Stimme. Doch in seinem Auftreten schien er das genaue Gegenteil eines deutschen Geistlichen zu sein. Seine Art mit ausladender Gestik zu reden und die ganze Gemeinde miteinzubeziehen erinnerte mich eher an einen Entertainer. Nach beinahe jedem zweiten Satz lachte die Gemeinde oder stimmte ihm lauthals zu. Am Ende einer Rede ließ er sich diese stets mit „Church say hallelujah“, „Church say bless the Lord“ und „Church say Amen“ bestätigen und forderte die Gesellschaft stets auf, ihm noch lauter zu antworten. Mehr als die Hälfte des Gottesdienstes verbrachten wir singend und tanzend während eine Blaskapelle wie ein Spielmannszug durch die Kirche marschierte. Unsere Lieder, die weitgehend auf Tsetswana gesungen wurden, klangen für mich stark nach Gospel. Den meisten Beifall bekam der Priester als er persönliche Geschichten über die Brautpaare erzählte. Gleich danach folgten die Treueschwüre und das Anstecken der Ringe.
Nachdem wir aus der Kirche getanzt waren und zahlreiche Fotos gemacht wurden, fuhren wir wieder zum Haus der Eltern. Dieses hatte sich ganz schön verändert. In der Zeit, in der wir den Gottesdienst besuchten, hatte eine Event- und Cateringesellschaft einen mit pastellfarbenen Tüchern bespannten Pavillon im Garten aufgebaut. Ein Event Manager führte uns während des Buffets durch das Programm. Dieses bestand aus mehreren Ansprachen, Glückwünschen und Hochzeitsgeschenken von Freunden und Verwandten. Es war auch eine Tanz- und Gesangsgruppe eingeladen worden. Anscheinend war diese jedoch nicht in den Programmplan eingeweiht worden. Die Ansprachen wurden mehrere Male von der Gruppe übertönt, die inmitten der Rede damit begann, ihre Tänze aufzuführen, bis der Event-Manager hektisch zu Ihnen eilte. Wir amüsierten uns trotzdem gut und versuchten nach Salat, Hauptspeise, Eis und Pudding auch noch etwas Platz für die Hochzeitstorte zu lassen.
Nach dem Buffet zogen wir uns wieder im Haus der Nachbarn um. Ich war ziemlich froh, die High Heels auszuziehen, die bei jedem meiner Schritte im heißen Sand versanken. Unsere rosa Kleider wurden von schwarzen, mit bunten Perlen bestickten Faltröcken abgelöst. Nun begann der traditionelle Teil der Hochzeit. Wir sangen alte Hochzeitslieder und führten traditionelle Tänze auf, die Potjolo mir schon vorsorglich beigebracht hatte. Zum Ende des Tages kühlte es schnell ab und ein DJ übernahm die Abendunterhaltung. Die Musik war eine Mischung aus amerikanischen Mainstream und African Pop. Irgendwie schienen die modernen Beats für mich nicht ganz zu der traditionellen Kleidung zu passen. Doch vielleicht ist dies eines der Dinge, die die multikulturelle Regenbogen Nation ausmachen.
Als wir uns auf dem Heimweg machten, war es schon ziemlich spät. Vermutlich weil dies schon meine zweite schlaflose Nacht war, kam mit der Rückweg im Minitaxi viel kürzer vor als der Hinweg