Unegzieferkulinarik

taptaptap

Es ist Nacht und zu heiß zum schlafen.

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Ich stehe auf und mache das Licht an.

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Gerade als ich mir ein Glas Wasser holen möchte, erblicke ich sie. Unter meinem Bett krabbelt eine Kakerlake mit glänzendem braunem Panzer und langen Fühlern. Sie schaut mich feindselig an; ich schaue feindselig zurück. Mit schräg gelegtem Kopf, engen Augen, den langen, segmentierten Panzer mit den angelegten Flügeln von den Beinen abgehoben sehen Kakerlaken wirklich durch und durch bösartig aus. Der Abscheu einiger Menschen gegenüber diesen Tieren ist durchaus verständlich.

Das blöde am Sommer ist, dass er auch die Hochsaison für Krabbelzeugs aller Art darstellt. Nachdem unser Zimmer sowieso schon eine kleine Ameisenkolonie beherbergt verirren sich nun auch mit zunehmender Häufigkeit Kakerlaken dorthin, selten auch Geckos, was im Vergleich zu dem Mäuse- und Rattenproblem in den Townships ein zu vernachlässigendes Übel ist. Mäuse hatten wir hier zwar auch, nun allerdings schon seit drei Monaten nicht mehr.

Die Kakerlake lungert immer noch an dem einen Bein des Bettes herum, fast reglos.

„Verpiss dich, Gregor!“ murmle ich und gehe wieder in die Küche um ein Gefäß zum Fangen zu holen. Ich bin gegen Gewalt an Tieren (mit gelegentlicher Ausnahme von Mücken). Ich bin nicht der Typ dafür, die zu töten. War ich auch noch nie. Außerdem sind Kakerlaken sowieso kaum kaputt zu kriegen. Nicht umsonst hat es die Spezies nun schon über 200 Millionen Jahre auf dem Planeten ausgehalten.

Unvorteilhafter Weise sind sie ebenso schwer zu fangen… Gerade in dem Moment, in dem man denkt, man hat sie, huscht sie in den hintersten Winkel davon und die Viecher sind verdammt schnell.

Ein kleiner, unfreiwilliger Tanz ereignet sich nun im Zimmer. Ein Schritt vor, drei Krabbel zurück. Unters Bett geduckt und mit dem Plastikbecher daneben gegriffen, sieben Krabbel zur Seite. Sie endlich in der einen Ecke entdeckt, fünf Krabbel nach vorne. Endlich, nach guten zehn Minuten Kakerlakenwalzer, gelingt es mir, den Plastikbecher über das Viech zu stülpen. Ein Blatt Papier wird unter den Becher geschoben und das Tier wird raus gebracht. Draußen starrt es mich immer noch aus Augenschlitzen an und huscht dann schnell in den Spalt einer Fuge davon.

Schlafen wird nun wahrscheinlich noch schwerer… Am Tag waren es 35°C gewesen, jetzt ist es immer noch warm + mir geht der Song „Die Haschisch Kakerlake“ von Creme de la Creme nicht mehr aus dem Kopf…

 

Kommen wir nun zu etwas völlig Anderem: Essen.

Wie so vieles in diesem Land variiert auch die aufgenommene Nahrung stark nach Hautfarbe, Ethnie und Region.

Was bei allen zutrifft ist der hohe Fleischgehalt des Essens, was für mich, vormals eher vegetarisch lebend, nicht immer der größte Genuss ist. Es gibt Freiwillige, die auch in Südafrika streng vegetarisch oder sogar vegan leben, was mir allerdings schleierhaft ist, da dies zumindest in einer Gastfamilie nicht möglich wäre.

Ich hatte zwar schon einige Male angebracht, dass ich kein meat lover bin, doch wenig Fleisch für hiesige Verhältnisse bedeutet immer noch täglich, was gemessen an meinen Gewohnheiten eher viel ist. An das viele Hühnchen, dass natürlich mit den Händen gegessen wird – das ist Ehrensache –, habe ich mich allerdings mittlerweile gut gewöhnt. Es käme mir auch zutiefst dekadent vor, das angebotene Essen abzulehnen…

chickenIn fast jedem größeren Supermarkt gibt es auch eine Fleischerei, in der die ganzen Schweine teilweise noch hinter der Theke zerteilt werden. Als ich, noch in meinen ersten Tagen, einen Metzger verwundert anguckte, lachte dieser zurück und sagte: „You don’t wanna have trouble with me, hey?“

Auch den Satz „I’m a meateterian“ habe ich schon einige Male gehört und Aubrey und Mac entschuldigten sich beide ausführlich, als sie vergaßen, mir zu sagen, wo das Fleisch ist. Das Alles illustriert die Beziehung der meisten Südafrikaner zu Fleisch sehr gut.

In den Anfängen des 20. Jahrhunderts siedelten sich viele Inder in Südafrika an und in dieser Zeit war auch Gandhi als Anwalt in Südafrika aktiv.

Vor Allem im Essen macht sich der indische Einfluss auf Südafrika zuweilen stark bemerkbar. So findet man an fast jeder Ecke der Stadt Samosas, Rootis und riesige Gatsbys, die man sich aufgrund der Größe teilen muss. Auch zu Hause Essen wir viel Curry, mit Hühnchen, Reis und Kartoffeln. Vielfach findet man auch Gerichte, die ein Pendant in der deutschen Küche haben. Etwa Putengeschnetzeltes, Kartoffelpüree oder ähnliches. Bei den Coloureds ist Potjiekos ein verbreitetes Gericht, das gerne auf Familienfeiern zubereitet wird. Dazu werden gusseiserne, meistens dreibeinige Pötte benötigt, die in glühende Kohlen gestellt werden und in denen, je nach Garungszeit unterschiedliche Gemüse und Fleisch mit der Zeit hinzugefügt und gekocht werden. Eine Spezialität ist dabei Afall, wobei in einer Suppe aus verschiedenem Gemüse die Füße, Mägen teilweise auch Köpfte von Schweinen und Schafen mitgekocht werden, der Abfall eben. Auf einer Feier in Mitchells Plain habe ich Afall einmal probiert und es schmeckte tatsächlich gar nicht mal so übel, wenn man die Konsistenz potjiekosnicht beachtete und die Portionen in kleine Stücke schnitt. Ein weiteres beliebtes Gericht ist Vetkoek, in Fett frittierte Brötchen, die aufgeschnitten und mit Mince Curry gefüllt werden.

Das traditionelle Essen der meisten schwarzen Bevölkerungsgruppen enthält viele Proteinreiche Bestandteile, wie Linsen oder Mais und natürlich ebenfalls Fleisch (z.B. Bobotie). Ein Gericht, dass fast überall als Beilage zu finden ist, heißt Pap, ein sehr sättigender Maißmehlbrei, der an und für sich kaum Geschmack hat, gewürzt aber sehr lecker sein kann – wenn man aufgegessen hat, kann das Wort pappsatt direkt eine ganz andere Bedeutung bekommen.

Bei der weißen Bevölkerung (ich schreibe bewusst nicht Volk) sieht das, was auf den Tisch kommt in der Regel recht westeuropäisch aus. Ein Snack, der mir sehr gut gefällt ist Billtong, gedörrtes und gewürztes Rindfleisch.

Was generell auffällt ist, dass beim Essen alles verwertet wird (gelegentlich sogar Knochen und Innereien) und die Reste so lange wieder zubereitet, bis keine mehr vorhanden sind oder sie ungenießbar. In diesem Fall kriegt dann bei uns die Hündin (Maggie) zu ihrer großen, durch im Kreis herumrennen ausgedrückten Freude, den Rest.

Was trotz der durchschnittlichen Armut seltsam ist, ist die häufige anzutreffende Fettleibigkeit. Dies kann einerseits mit einem anderen Stellenwert des Essens bzw. einer anderen Beziehung zu diesem, oder aber auch mit der Tatsache zusammenhängen, dass ungesundes Essen einfach wesentlich günstiger ist.

Ein Vergnügen, dem sich das ganze Land hingibt ist der Braai, die Südafrikanische Art zu Grillen. Dabei
kommen ganze Brocken Fleisch oder Boerewors, eine ziemlich herbe und grobe Wurst auf das Rost. Gegrillt wird über der Kohle des Feuerholzes und das Fleisch wird zwischen dem zusammenklappbaren Grillrost eingeklemmt und dann mit diesem gewendet. Da die ganze Prozedur auch gerne etwas länger dauern kann wird nebenbei viel Bier getrunken – und südafrikanisches Bier ist nicht nur extrem günstig (weniger als ein Euro die 750 ml carling-black-label-lager-e1337430900545-580x773Flasche) sondern auch hochprozentig (5,5% bei Black Label) und zudem sehr gut, selbiges gilt nebenbei auch für Wein.

Also wird gebraait und getrunken und gegessen und dabei viel debattiert, bevorzugter Weise in der jeweiligen Muttersprache, über Politik, über die Community, über das Leben und die alltäglichen Probleme; schlichtweg: man lässt es sich gut gehen. Dass es da auch mal etwas länger dauern kann, bis das Essen tatsächlich fertig ist, ist nebensächlich, denn man hat ja zu Trinken am Start.

Deshalb zum Abschluss eine massive Empfehlung an Alle: Black Label, probieren Sie es doch einmal selber aus – der Cocktail der einfachen Leute!