Musik
Der großartige Hugh Masekela hat einmal gesagt, Musik, sei die südafrikanische Literatur. Das wirft nun kaum ein gutes Licht auf die südafrikanische Literaturszene, die immerhin zwei Nobelpreisträger (Nadine Gordimer und J.M. Coetzee) hervorgebracht hat und ich nehme es eher so wahr, dass überdurchschnittlich viele Südafrikaner an Büchern interessiert sind, wobei man auch oft Bewusstseinstgeschwurbel in den Buchhandlungen vorfindet; Bücher mit Namen wie „Spiritual Housekeeping“ usw.
Was Masekela meint ist, dass Musik eine wichtige, vielleicht sogar tragende Rolle bei dem Kampf gegen die Apartheid einnahm. Dass es nur wenige Momente, vor allem innerhalb der schwarzen Bevölkerung gibt, in der Musik nicht in irgendeiner Art und Weise anwesend ist.
Gerade bei offiziellen Anlässen wie Geburtstagen, kann es sehr eindrücklich sein, dass auch wenn man es nicht erwartet, traditionelle Lieder angestimmt werden, teilweise sogar zweistimmig – selten auch begleitet von Ululation (in Ermangelung eines adäquaten deutschen Wortes), und alle mitsingen.
Gerade in Kapstadt gibt es eine sehr aktive Jazzszene und einige große Jazzinstrumentalisten, etwa Abdullah Ibrahim, Jonathan Butler und Winston Mankunku Ngozi wurden hier geboren. Auch das „Cape Town International Jazz Festival“, auf dem viele große Jazzmusiker aus dem In- und Ausland gastieren findet hier jährlich statt. Viele in Kapstadt ansässige Musiker haben es finanziell jedoch schwer, freischaffend tätig zu sein, wie in Deutschland auch. Winston Mankunku Ngozi zum Beispiel starb vollkommen verarmt, während Abdullah Ibrahim internationale Beachtung fand, die ihm einige schöne Summen eingetrieben und, wie man immer wieder hört, ihn auch ein wenig hochnäsig gemacht hat.
Der Jazz in Südafrika ist stark geprägt von Gospels, den indigenen Kulturen des Landes, die sich in Afrobeat Stücken wiederfinden und in Kapstadt auch von den Spielmannszügen der Coloureds, die in verschiedenen bunten Uniformen mit Blasinstrumenten stattfinden. Auf der harmonischen Ebene finden sich außerdem viele 1-4 Verbindungen.
Eine weitere, auch politisch wichtige, Musikerin war die Sängerin und Aktivistin Miriam Makeba, die den Meisten wahrscheinlich durch den isiXhosa Song Pata-Pata bekannt ist.
Aus der Jazz Tradition speist sich heute zum Beispiel die Musik von Jimmy Nevis oder Bands wie Mi Casa.
Außerdem hat Südafrika einige sehr gute DJs, die sich größtenteils auf dem Feld der House-Music betätigen und eine südafrikanische Prägung derselben etabliert haben. Im Dezember lief zum Beispiel der Song „Koze Kuse“ von DJ Merlon in allen Clubs überall im Land rauf und runter. Auch anderen DJs, wie DJ Fisherman oder Clue DeSong kann man kaum entkommen. Mit der DJing Kultur vermischt sich auch eine sehr aktive Rapszene, die unter anderen von Cassper Novyest und A.K.A oder Jack Parow und Die Antwoord vertreten werden, die mitunter stark vom – in Südafrika entwickelten – Kwaito geprägt ist.
Dazu wird auch viel US amerikanischer Rap gehört: Kendrick Lamar, Chris Brown und Konsorten.
Das ist auch die Mucke, die man, meistens schon von Weitem durch die übermäßige Dosierung von Autotune und Vocoder erkennbar, in den Sammeltaxis hört.
Diese Erfahrung ist für mich auch eines der elementaren Südafrika (Lebens)-Gefühle : Im hoffnungslos überfüllten Sammeltaxi sitzen, in das die Sonne von der Seite scheint. Der warme südafrikanische House dröhnt überlaut aus allen Boxen mit voll aufgedrehten Mitten, die die wenigen Zwischenräume zwischen den Menschen ausfüllen und dem typischen Rhythmus mit Schwerpunkt auf der 1, der letzten Sechzehntel des ersten Taktes und der dritten des zweiten Taktes. Das ganze strahlt ein irgendwie wohliges Gefühl aus.
Dabei versucht man zu lesen, auf Englisch, um sich wenigstens etwas in der Sprache zu verbessern (was sonst, wegen der vielen gesprochenen Sprachen nur bedingt möglich ist), mangels Konzentration und wegen Müdigkeit guckt man dann aber doch aus dem Fenster des Taxis, auf Shacks, Flats, den Flughafen und die eng gedrängten Häuser mit oberirdischen Leitungen von Heideveld, die trockenen gelbsandigen freien Flächen, stacheldrahtgespickte bemalte Mauern, an denen Plastiktütenfetzen hängen, gelegentlich auf brennenden Müll, Pferde und die Luft mit Abgasen schwängernde Autos und Pickups mit zwei Fahrgästen hinten drauf, Schulen, Palmen, Wäscheleinen, Coca-Cola Schilder, Spielplätze, das Athlone Stadium, deren Anblick man schon etwas überdrüssig ist, gegen die Sonne an und hofft, nicht schon wieder einen Sonnenbrand zu bekommen.
Das vielleicht bekannteste südafrikanische Musikstück ist die Nationalhymne, die sich aus der Hymne „Nkosi‘ Sikelel‘ iAfrika“, die lange als Protestlied gesungen wurde und „Die Stem van Suid-Afrika“, die bis 1994 die offizielle Nationalhymne war, zusammensetzt. Insgesamt inkorporiert die Hymne fünf Sprachen (isiXhosa, Zulu, Sesotho, Afrikaans und Englisch), was sehr interessant ist aber auch zur Folge hat, dass die meisten Südafrikaner den Inhalt nicht voll und ganz verstehen und betretenes Gemurmel immer dann einsetzt wenn die Sprachkenntnisse der jeweils Singenden aussetzen. Der Comedian Trevor Noah parodiert dies sehr schön.
Die South Peninsula High School hat ebenfalls eine eigene Hymne, die bei offizielleren Anlässen von der Schülerschaft geschmettert wird.
Innerhalb der verschiedenen Musikrichtungen sind interessante Kollaborationen entstanden. So habe ich zum Beispiel kürzlich auf einem Markt eine Band mit zwei Bassisten, Schlagzeug, Gitarre und zwei Marimbaphonen (ebenfalls eine südafrikanische Spezialität) gehört, die dazu noch echt gut klang. Andere Bands, die sich auf diesem, oder ähnlichen Gebieten profilieren sind z.B. Dear Reader und Freshlyground.
Wer gerade von Langeweile geplagt ist, dem würde ich sehr empfehlen, sich doch mal das eine oder andere Stück von einem der genannten Musiker und Bands anzuhören. Es sollte für jeden etwas dabei sein.