Familienbesuch, Feierei und Feuer
So viel ist in den letzten fast 2 Monaten passiert, dass ich es tatsächlich nicht auf die Reihe bekommen habe einen Bericht über die Zeit vom 11. Dezember bis 11. Januar zu verfassen. Aber jetzt kommt er! Wahrscheinlich deutlich kürzer und mit verfälschten Erinnerungen, da einfach schon so viele Tage seit diesem Zeitraum vergangen sind, doch mit meinem Tagebuch bewaffnet, versuche ich das Beste zusammenzukratzen.
Unsere Arbeit führten wir bis zu den Weihnachtsferien, die am 21. Dezember begannen, fort. Chiara und ich waren weiterhin zusammen unterwegs, besuchten die verschiedenen Schulen und versuchten mit Liedern und Spielen deutsche Sprache und Grammatik mit Spaß zu verbinden.
Am 21. Dezember wollte ich eigentlich mit meiner Gastfamilie für das Wochenende in ein Dorf fahren. Dort fand ein Treffen ihrer Kirche statt, bei dem wohl viel gebetet und missioniert wurde. Da es mir aber gesundheitlich nicht 100% gut ging, entschied ich mich in Lomé zu bleiben.
So verbrachte ich das Wochenende bei Chiara. Am Abend kamen dann Chiaras Mutter und ihre Schwester an, wodurch uns in den Weihnachtsferien nicht eine Minute langweilig war.
Weihnachten ist in Togo keine besonders feierliche Angelegenheit, jedenfalls nicht nach unserem Verständnis. An Heilig Abend gingen Chiara und ihre Familie und ich zum Seemannsheim in einen deutsch-französischen Gottesdienst. Dieser war auf die wesentlichen Elemente gekürzt, durch die bekannten Weihnachtslieder kam aber doch ein bisschen Weihnachtsstimmung auf. In den Straßen Lomés sprossen kurz vor Weihnachten in vielen Läden Leuchtketten und Plastikbäume zum Verkauf aus dem Boden und die Lautsprecher schepperten „Stille Nacht, Heilige Nacht“ und „Petit Papa Noel“. Das war aber auch schon alles. Nach dem Gottesdienst blieben wir noch im Seemannsheim und aßen gemeinsam mit vielen anderen Menschen. Gemeinsam mit uns aß Maggie. Sie ist eine deutsche Freiwillige, die normalerweise in der Schweiz lebt. Sie bleibt nur ein halbes Jahr hier in Lomé und unternimmt viel mit Chiara und mir. Das Weihnachtsessen war ein Buffett mit Salat, Gegrilltem und andere leckeren Dingen.
Die Bescherung fand dann leider ohne Maggie im kleinen Rahmen in Chiaras Zimmer statt. Gemütliche Atmosphäre schaffte die Lichterkette, die das Moskitonetz beleuchtete und so konnten wir einen schönen Abend verbringen. Dennoch vermisste ich das alljährliche Pastetenessen und den Heiligen Abend mit meiner Familie!
Am 25.12. waren wir dann zum Mittagessen bei dem Lehrer eingeladen, den wir in seiner Schule in Adjengre besucht hatten. Da seine Familie in Lomé wohnt, verbrachte er seine Ferien hier. Wir wurden sehr gut bewirtet und waren wirklich pappsatt, als wir gingen. Am Abend waren wir dann gleich nochmal zum Essen eingeladen, dieses Mal bei unserem Mentor. Auch dort gab es eine Menge zu essen, wegen des vielen Mittagessens konnte ich dies aber leider nicht voll auskosten. Dies war unsere Weihnachtserfahrung in Togo. Ich habe den Eindruck, dass man hier wenn man davon spricht, dass gefeiert wird, damit meint, dass man gut und viel isst.
Am 26. bekochten wir am Abend meine Gastfamilie. Wir setzten den Gasofen in Gang, der hier sonst wohl nie zum Einsatz kommt und machten Zwiebelkuchen und Pizza. Das Essen kam bei allen sehr gut an – auch bei uns !
Der 27. war dann Chiaras Geburtstag. Gemeinsam mit einigen Deutschlehrern und Maggie machten wir einen Ausflug zum Lac Togo. Zunächst besuchten wir den Fetischmarkt, auf dem viele verschiedene Voodoo-“Zutaten“ verkauft werden und wo Heiler ihrer Arbeit nachgehen. Ich hatte eigentlich einen größeren Markt erwartet, doch auch so waren die vielen tierischen Überreste, die angeblich heilende Wirkungen haben sollen, interessant und abschreckend zugleich. Der nächste Stop war dann ein Haus, in dem früher Sklaven gehalten wurden, bevor sie auf Schiffe verladen wurden. Dies geschah in flachen Kellern, die man heute noch durchkrabbeln kann. Kaum zu glauben, wie man mit Menschen umging. Mit dem Stocherkahn ging es dann über den Lac Togo nach Togoville. Dort besuchten wir zunächst den König von Togoville und liefen dann ein bisschen durch das kleine Städtchen. Auf unserem Rückweg nach Lomé, machten wir beim Denkmal der deutsch-togolesischen Freundschaft Halt und setzten uns dort in eine Bar, um unseren Ausflug abzuschließen und Chiaras Geburtstag noch einmal gebührend zu feiern.
In den folgenden Tagen gingen wir zum ersten Mal hier in Togo in die Disco, was sehr viel Spaß machte, besuchten einen Hochzeitsgottesdienst, der gar nicht soo besonders war und besuchten wieder einmal die Salsagruppe, bei der Chiara, Maggie und ich Mitte Dezember das erste Mal mitgeübt hatten.
Der Jahreswechsel wurde von uns nach deutscher Tradition gefeiert. Da für uns eben 24 Uhr die wichtigste Uhrzeit an Sylvester ist, hatten wir alle keine Lust so wie alle Togolesen zu dieser Uhrzeit in der Kirche zu sitzen. So stießen wir also auf der Dachterrasse von Chiaras Gastvater an und genoßen den Rundumblick auf die Stadt und die aufsteigenden Raketen. Hier in Togo ist Neujahr sehr viel wichtiger als Sylvester und bei allen heißt es „ Am 1.Januar ist das Fest.“ Aus diesem Grund waren wir dann auch wieder zum Essen eingeladen. Dieses Mal besuchten wir die Familie von Tontonvi, Juliens Cousin. Nach dem wir auch dort gut gegessen hatten, fuhren wir mit Julien und Tontonvi zum Seemannsheim. Dort verbrachten wir einige schöne Stunden im und am Pool. Als wir dann abends bei mir waren, gab es auch dort extra leckeres Essen.
Nach 2 Wochen verließen uns Chiaras Mutter und Schwester dann wieder, mit im Gepäck einige togolesische Souvenirs sowie jede Menge Eindrücke und Erinnerungen.
Auch ein paar unangenehme Erfahrungen gehören leider in den hier beschriebenen Zeitraum. Ich wurde von einem Mann am Handgelenk sehr stark festgehalten, kam dank Chiara und ihrer Mutter aber relativ schnell wieder aus dieser unangenehmen Situation, außerdem war ich das erste Mal in einen Motorradtaxiunfall verwickelt, bei dem ich mich aber glücklicherweise nicht verletzte.
Vom 10. und 11.01. fanden in Lomé wieder Demonstrationen statt. Diese waren eigentlich von der Regierung verboten worden und so sah man überall in der Stadt besonders viel Gendarmerie und Polizei. Zum ersten Mal erlebten wir mit, dass hier wirklich gewaltsam gegen Menschen vorgegangen wird. Wir kamen auf unseren Mototaxis erst nach den Demonstrationen am Demonstrationsort vorbei, sodass wir nicht die direkte Gewalt sahen. Verriegelte Läden, leere Straßen, große Steine und Brandflecken auf der Straße erklärten aber sozusagen von selbst, was geschehen war.
In der Nacht auf den 12.01. spitzte sich dann die gesamte Situation noch einmal zu: Nachts um 3 Uhr hörte man von allen Menschen, dass der „Grande Marché“ ( die große Markthalle im Marktviertel) brenne. Das Feuer konnte leider erst viel zu spät und nur mit Hilfe von Kräften aus Ghana gelöscht werden. Durch diesen Brand haben viele Menschen, vor allem Frauen, ihre Einnahmequelle und damit einen großen Teil ihres Besitzes verloren. Im „Grande Marché“ verkauften viele Frauen, die verschiedensten Dinge, das Feuer hat all diese Waren verschlungen. Das Gebäude ist komplett ausgebrannt. Dieses Gebäude war mit eines der wichtigsten der togolesischen Wirtschaft. Ich kenne mich zu wenig mit der Materie aus, um zu erklären, was dies für die Menschen hier bedeutet. Wer sich näher damit beschäftigen möchte, möge selbst recherchieren. Es ist eine grausame Tat, egal von wem sie verübt wurde. Zu viele Menschen haben dadurch einen Schaden erlitten und stehen jetzt vor dem Nichts.
Einen Blogeintrag eines Togolesen zu diesem Thema findet sich hier: http://sylviocombey.wordpress.com/2013/01/12/apres-kara-le-grand-marche-de-lome-consume-devant-les-yeux-des-sapeurs-pompiers/
Soweit zu den Ereignissen im genannten Zeitraum. Mir geht es hier nach wie vor gut, trotz allem Unerfreulichen. Bald gibt es einen neuen Bericht.
Ich denke an euch!