Erster Quartalsbericht: Ankunft und Projektstart
1. Quartalsbericht von Silke Bölts: 26. August bis 26. November 2013
Ankunft und Eingewöhnung:
Mein entwicklungspolitischer Freiwilligendienst fing am Montag, den 26. August 2013 um 6.20 Uhr am Bremer Flughafen an. Mein erstes Flugzeug startete und das Abenteuer begann. Nach einem Umstieg in Amsterdam ging die Reise mit Marie, meiner Mitfreiwilligen, zusammen weiter nach Johannesburg. Nach insgesamt über 13 Stunden Flug landeten wir schließlich am Abend am Flughafen O. R. Tambo. Dort wurden wir von einem kleinen Begrüßungskommittee willkommen geheißen. Mit Bennitto Motitswe (dem Leiter meiner Aufnahmeorganisation, das Letsema Center für Entwicklung und Demokratie) Molefe Modise (mein Gastvater) und Nthabiseng Molemeo (Freiwilligen-Beauftragte) fuhren wir dann eine knappe Stunde nach Pretoria, wo Marie von zu ihrem Gastbruder Thabang Ramela ins Auto umstieg, um zu ihrer Gastfamilie nach Mabopane zu fahren.
An jenem Abend lernte ich dann auch natürlich meine Gastmutter Kgomotso kennen, welche mir auch gleich das Haus zeigte und mir mein Zimmer zuwies, in dem ich dann auch ziemlich schnell und müde einschlief, da es schon sehr spät war. Meine Gastfamilie ist richtig nett und ich fühle mich bei ihr sehr wohl und aufgenommen.
Meinen ersten Tag in Südafrika verbrachte ich zu Hause, was mir die Gelegenheit bot, mich auszuruhen und einzugewöhnen sowie mein Zimmer einzurichten.
In den folgenden Tagen erlebten Marie und ich ein Einführungsprogramm:
Am Mittwoch trafen wir uns mit Teilen unserer Gastfamilien in dem Einkaufszentrum „Wonderpark“, um persönliche Angelegenheiten zu erledigen, wie Handyguthaben zu kaufen und Geld abzuheben.
In den nächsten Tagen wurden wir im Letsema-Büro noch einmal offiziell willkommen geheißen und bekamen eine Übersicht über das Letsema Center und eine Monatsplanung. Außerdem hatten wir ein Treffen mit den Vorsitzenden unserer Organisation, die uns über einige Regeln informierten, Hinweise gaben und uns ihre Hilfe bei möglichen Problemen anboten.
Einmal im Monat haben wir nun ein Letsema-Treffen mit den Vorsitzenden und einigen Mitgliedern. Wöchentliche Reflexionsbesprechungen mit Nthabiseng führen wir meistens ebenfalls durch.
Mein erstes Wochenende verbrachte ich mit Marie, da ihre Gastschwester ihren 21. Geburtstag feierte. Des Weiteren lernte ich weitere Mitglieder meiner Gastfamilie kennen, die zum Teil ebenfalls in meinem Township Ga-Rankuwa leben und sehr nett sind.
Stadterkundung
In der Einführungszeit haben wir mit Nthabiseng einiges von der Stadt gesehen: So waren wir zum Beispiel im Zoo in Pretoria (der größte in Südafrika), bei den Union Buildings (Sitz der südafrikanischen Regierung), im Nationalmuseum für Kulturgeschichte und im Kino. Auch das Kruger-Haus Museum haben Marie und ich schon besucht.
Daneben haben wir verschiedene Institutionen kennengelernt: Die EMA Primary School und ein Altenheim in Mabopane (Dort arbeitet Marie jetzt.), die „Khabo-Klinik“ und der „Golden Youth Club“ (eine traditionelle Tanzgruppe) in Winterveld, die Organisation „Youth in Action“ in Winterveld und das „Home of Hope“ in Pretoria. Letzteres ist ein Wohnheim für ehemalige Straßenmädchen.
Meine Projekte
Nach getaner Arbeit auf dem Kleiderhaufen
Youth in Action ist ein Zusammenschluss junger engagierter Erwachsener und Jugendlicher, die versuchen mit ihrer freien Zeit, etwas Gutes für die Gemeinde zu tun und andere Leute ebenfalls zu motivieren, ihre Fähigkeiten zu nutzen. Diesen Verein haben Marie und ich auch schon an zwei Tagen bei ihrem aktuellen Projekt begleitet. Dieses heißt „Von Tür zu Tür“ und besteht darin, die Haushalte in der Umgebung zu besuchen. Dann werden diese gefragt, ob sie entweder alte und überflüssige Kleidung abgeben können oder aber für genau diese bedürftig sind. Letztere werden dann registriert; die Kleidungsspenden werden eingesammelt. An jenen zwei Vormittagen haben wir jeweils einen Ehrenamtlichen begleitet und konnten in einigen Haushalten das Projekt in Englisch erklären. In anderen mussten wir diese Aufgabe abgeben, denn einige Leute konnten weder Englisch noch Setswana sprechen. Insgesamt war das eine sehr interessante Zeit, denn dadurch habe ich einen besseren Eindruck von den oft recht einfachen Lebensverhältnissen im ländlicheren Teil von Winterveld bekommen, da ich viele unterschiedliche Haushalte besucht habe und die verschiedensten Menschen getroffen habe.
Am 9. Dezember richtet Youth in Action dann eine Kleiderverteilungsveranstaltung aus. Vom Vorabend an werden Marie und ich helfen, das Gelände vorzubereiten, Essen zu kochen und die Kleidungsstücke zu sortieren. Während der Veranstaltung wird es nach einer Motivationsrede musikalische Unterhaltung geben. Mittags bekommen die erwarteten 1000 Gäste eine warme Mahlzeit, bevor sie ihre neuen Kleidungsstücke zu Fuß nach Hause tragen.
Hauptsächlich arbeite ich jedoch in der H. L. Setlalentoa Secondary School in meinem Township Ga-Rankuwa, die sich etwa 25 Fußminuten von meinem Haus entfernt in der Zone 5 befindet. In diese Schule gehen ungefähr 700 SchülerInnen von der achten bis zur zwölften Klasse, welche von 26 LehrerInnen unterrichtet werden. Der Schulleiter dort und meine KollgegInnen sind sehr nett und unterstützen mich großartig. Mit Teilen des Kollegiums war ich auch schon auf einer Hochzeit und bei einem Trauerbesuch.
Mit etwa dreißig SchülerInnen des elften Jahrganges und einigen anderer Stufen baue ich nun eine Schulzeitung auf. Dafür schreiben die Jugendlichen Artikel über Themen ihrer Wahl. Auf Anregung meinerseits haben sie auch schon Interviews mit lokalen Persönlichkeiten durchgeführt. Eine Englischlehrerin hilft mir mit der Korrektur. Danach können die Autoren ihre (oder andere) handschriftliche Texte abtippen. Für die erste Ausgabe habe ich das Einfügen der Artikel in das Layout übernommen, was für mich auch eine gute Übung war, besser mit Microsoft Office Publisher zurechtzukommen. Für die nächste Ausgabe werde ich diese Aufgabe an einige Schüler delegieren, damit diese auch die Chance bekommen, ihre Fähigkeiten in diesem Feld auszubauen. Da dies eine sehr zeitintensive Arbeit sein kann, habe ich einige Tage damit verbracht, in der Schule am Laptop zu arbeiten. Die Schulzeitung enthält neben den Berichten der SchülerInnen auch Klassen- und Lehrerfotos. Nach etwa zwei Monaten wird die knapp vierzig-seitige Erstausgabe nun pünktlich zum Beginn der südafrikanischen Sommerferien am 4. Dezember zu einem kleinen Preis von 1,50 Rand verkauft werden.
Briefe der Achtklässler
Zwischendurch habe ich aber auch schon Brieffreundschaften mit den achten Klassen zu meinem alten Gymnasium in Bad Zwischenahn etabliert. Der Umschlag mit den ungefähr dreißig Briefen ist nach einem knappen Monat Transferzeit nun endlich in Deutschland angekommen. Einige SchülerInnen haben mich nach deutschen Wörtern gefragt, woraufhin ich ein paar Deutschstunden gegeben habe.
Bei beiden Projekten habe ich gemerkt, dass die Motivation bei den Teilnehmern am Anfang erfreulich hoch ist, dann aber bei einigen ziemlich schnell nachlässt, wenn es um Arbeit geht und, dass Termine und Zusagen eher sehr locker genommen werden.
Wie meine Vorgänger auch, kümmere ich mich um das Projekt „Weihnachten im Schuhkarton“, welches ich auch schon aus Deutschland kannte. An meiner und zwei weiteren Schulen habe ich Zettel verteilt, welche die Aktion beschreiben. Die Kartons werden gesammelt und im Januar an Kinder aus armen Familien verteilt, deren Familien sich keine Weihnachtsgeschenke leisten können.
Letsema- und andere Aktivitäten
Parlamentsmitglieder bei der Bürger- diskussionsrunde
Durch Letsema war ich auch schon an vier Tagen auf Veranstaltungen des Parlaments. Einmal sind wir mit einer kleinen Delegation nach Eldorado Park, Johannesburg gefahren. Dort gab es eine Großveranstaltung mit einigen hundert Schülern aus dem Umkreis. Es gab dort erst Vorträge über Schulverhalten. Anschließend konnte man in einer von drei Diskussionsrunden zu den Themen „Mobbing“, „Teenagerschwangerschaften“ oder „Drogenmissbrauch“ seine Ideen und Meinung äußern.
In einer anderen Veranstaltung habe ich einem Vortrag über das politische System Südafrikas gefolgt. An anderen Tagen wurde uns eine schulische Ausbildung gezeigt, in der man z. B. Mauern oder Polstern lernen konnte. Letztlich gab es an einem anderen Tag noch ein Aufeinandertreffen von Bürgern und Parlamentsmitgliedern, bei der sich ausgetauscht wurde.
Die Veranstaltungen des Parlaments sind in der Regel finanziell gut ausgestattet: So werden meistens mindestens eine Mahlzeit sowie Getränke ausgeteilt. Ebenfalls wird für Transport gesorgt und teilweise auch für Übersetzung, wenn davon ausgegangen wird, dass beispielsweise Taubstumme oder Leute, die kein Englisch oder Setswana verstehen, anwesend sind. Allerdings hapert es ab und an am Zeitplan, sodass man lange auf den Beginn des Programms warten muss.
Allgemein scheint es hier üblicher als in Deutschland zu sein, dass man Gästen oder Teilnehmern unbedingt Essen mit auf den Weg gibt. Ebenfalls habe ich bemerkt, dass an dem Klischee der„deutschen Tugenden“ Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit vielleicht doch etwas dran ist.
An den Wochenenden war ich schon bei einigen Familienfeiern. So haben mich meine Gasteltern zum Beispiel schon mit zu einer Familienfeier, einer Beerdigung und einer Konfirmation in der Nachbarschaft mitgenommen. Mit Maries Gastfamilie war ich auf einer Hochzeit und habe bei einem Kindergeburtstag in der Nachbarschaft geholfen.
Mit Mitgliedern des Letsema-Centers war ich einmal bei einem Abiball (Die sind hier vor den eigentlichen Prüfungen, ohne Eltern und meistens in einer anderen Stadt.). Dort haben wir im Rahmen einer Motivationsrede von unserem Freiwilligendienst erzählt.
In einer Universität gab es eine Karrieremesse. Dort haben wir unsere Organisation vertreten und für neue Freiwillige geworben. Anschließend gab es für die Studenten ein Gala-Dinner mit Rahmenprogramm, das wir auch miterlebt haben.
Ein anderes Mal waren wir in der Universität von Johannesburg und haben dort einen Vortrag über den Zusammenhang zwischen Demokratie und Bildung gehört.
Natürlich haben wir auch an einer Veranstaltung zum „Heritage-Day“, dem Tag des kulturellen Erbes am 24. September teilgenommen. Das gab uns die Gelegenheit traditionelle Tänze, Kleidung und Gesänge kennenzulernen.
Vor einigen Wochen war mein Vorvorgänger Waldemar für einige Tage zu Besuch. Er hatte auch in meiner Gastfamilie gelebt. Es war interessant, sich mit ihm austauschen zu können und von seinen Erfahrungen zu hören.
Manchmal gehe ich nachmittags in die nahegelegene kommunale Bücherei.
Ansonsten trifft man sich gerne in einem Park mit Freunden oder hat gemeinsam ein „Braai“, also Gegrilltes.
Kirche und Feste
An einigen Sonntagen war ich auch schon in der Kirche. Mit meinen Gasteltern war ich in der Zion Christian Church (ZCC, christliche Kirche Zion), eine spirituelle Glaubensgemeinschaft, in der an Propheten geglaubt wird. Es ist ganz interessant, neue Eindrücke zu bekommen, die auch mal neue Denkanstöße liefern.
In katholischen Gottesdiensten war ich auch schon mit Marie, da ihre Gastfamilie dieser Konfession angehört.
Die Computer-Lehrerin, mit der ich am meisten zusammenarbeite, hat mich ebenfalls zu ihrer Kirche, die „Grace Kingdom Community Church“, einer charismatischen Kirche, eingeladen, welche ich seitdem zweimal mit ihr besucht habe.
Kurioserweise gibt es hier Feste, die man in Deutschland nicht feiert. An einem Nachmittag waren Marie und ich zu einem „Baby-Shower“ eingeladen. Das war ein Fest für eine hochschwangere Freundin, der dann alles Gute für das neue Baby gewünscht wird. Ein Babybesuch nach der Geburt ist allerdings oft, zumindest in den ersten drei Monaten, nicht üblich, da das Neugeborene vor schädlichen Einflüssen (z. B. Krankheitserreger) geschützt werden soll.
Alltag
An das Taxifahren habe ich mich hier ziemlich schnell gewöhnt, sodass ich auch schon lange alleine in die Stadt oder in ein anderes Township fahren kann. Es ist überhaupt keine Besonderheit, wenn einem auf dem Weg eine Kuh- oder Ziegenherde auf der Straße begegnet.
Wenn man irgendwo nicht mehr weiter weiß, fragt man einfach und bekommt eine freundliche Antwort. Die Leute, die ich bis jetzt getroffen habe, waren meistens nicht nur sehr hilfsbereit sondern auch sehr aufgeschlossen und freundlich, sodass es sehr leicht ist, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Im Gegensatz zu Deutschland gibt es hier viele Straßenstände, die nicht nur Obst und Gemüse sondern auch Chips und Süßigkeiten anbieten. Daneben gibt es noch in fast jeder Straße mindestens einen „Tuck-Shop“, eine Art „Tante-Emma-Laden“, in dem man auch fast alles für den Haushalt, Softgetränke und andere Kleinigkeiten bekommt. Mangels historisch gewachsener Innenstadt, spielt sich ansonsten viel in großen Einkaufszentren ab.
Soweit ich es bis jetzt erlebt habe, ist die Schere zwischen Arm und Reich nicht zu übersehen. So gibt es Häuser, die gut gesichert und sehr gut ausgestattet sind. Dann kann es auch üblich sein, Hausang
Ein Jacaranda-Baum
estellte zu haben. Auf der andern Seite sieht man aber auch immer wieder einfache Wellblechhütten. Allerdings baut die Regierung auch kleine Häuser und stellt diese armen Leuten zur Verfügung.
Neben der hohen Arbeitslosigkeit und vielen anderen Baustellen ist an manchen Orten die Müllentsorgung ein großes Problem.
Eine für Pretoria typische Erscheinung ist der Jacaranda-Baum, der mit seinen leuchtend lila Blüten ganze Landstriche färbt.
Da wir im südafrikanischen Winter ankamen, konnten wir uns gut an die steigenden Temperaturen gewöhnen. Jetzt im Sommer lernt man auch, mit mal 37° C umzugehen.
Mir geht es soweit also sehr gut und ich schaue voller Vorfreude auf die kommenden Monate, in denen ich noch eine ganze Menge vorhabe.
Soweit von mir, viele Grüße aus Ga-Rankuwa, eure Silke
Außerdem bedanke ich mich bei meinen Unterstützern, die mir diese Erlebnisse erst möglich gemacht haben:
Erwin-Röske-Stiftung
evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Bad Zwischenahn in St. Johannes (Bad Zwischenahn), St. Michael (Dreibergen) und Katharina (Rostrup)
Möbelhaus Behrens GmbH
Thieme und Scheltwort GmbH
Verein der Freunde von Round Table e. V.
sowie meine Familie, Freunde und Bekannte