Eichhörnchen, Elefanten und das Ende eines Lebens

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„AP! MAG! AP! MAG!“, schreit es abwechselnd durch den abgedunkelten Saal. Dann erscheinen die Akteure. Wie es sich gehört nicht gemeinsam, nacheinander treten sie in den Ring. Allerdings nicht um sich mit den Fäusten zu duellieren,sondern mit Worten. Im Ring steht Maggie, unsere deutsche Freiwilligen-Freundin aus der Schweiz ihrem togolesischen Freund Ap’nondas aus Togo gegenüber. Gemeinsam haben sie sich auf das Stück „Petits crimes conjugaux“ (zu deutsch in etwa „Kleine Eheverbrechen“) vorbereitet. Dieses brachten sie dann am 12. und 14.Mai auf eine sehr schöne und professionelle Weise auf die Bühne beziehungsweise in den Boxring. So boten sie dem Publikum ein Stück, das nicht eine Sekunde langweilig wurde und das mitfiebern ließ. Großes Lob an die beiden!
Direkt am Morgen… ach nein! Direkt um 15 Uhr am folgenden Tag ( vielen Dank an die miesgelaunte Dame im Konsulat von Benin, die sich nicht schneller um unsere Visa kümmern wollte und die meinen Kommunikationsdrang nicht verstand) ging es dann für Maggie, Nehle und mich in das Land, dessen Fußballmannschaft sich „die Eichhörnchen“ nennt, also nach Benin und genaucr nach Cotonou, der größten Stadt Benins, die allerdings nicht die Hauptstadt ist (die liegt klein und unscheinbar direkt daneben und trägt den klangvollen Namen Porto Novo) und von der ich mir bis heute nicht die Rechtschreibung merken kann. Wir kamen nach einer gewöhnlichen Fahrt in den Taxis Westafrikas am Étoile Rouge an. Gewöhnlich bedeutet hier: Erst längeres Verhandeln um den Fahrpreis, dann während der Fahrt umgesetzt werden in ein anderes, deutlich kaputteres Taxi und schließlich an der Grenze alle Taxiinsassen aufhalten, weil man alleine gelassen wird und nicht weiß, wo man das Taxi findet und wo es weiter geht. Letzten Endes kamen wir dann also, wie gesagt, beim Étoile Rouge an, einem großen Platz mit einem sehr großen Kreisverkehr in der Mitte, der einen noch größeren roten Stern beherbergt. Erbe der..?… richtig: Kommunistischen Phase des Landes. Von dort werden wir auf Motorradtaxis ohne Murren zu dem von uns genannten Hotel gefahren. Dort angekommen müssen wir allerdings feststellen, dass dieses schon bereits seit Ende 2010 geschlossen ist. Da war der aktuellste Rough Guide – Reiseführer eben doch nicht mehr so aktuell. Mit mehr Glück als Verstand geht unsere gerade begonnene Reise dann also auch bis zum Ende weiter. Einmal um die Straßenecke gebogen befindet sich ein weiteres Hotel. In unserer Preisklasse, wir dürfen uns ein Zimmer zu dritt teilen und im Nachbarhaus betreibt eine libanesische Großfamilie ihre Dönerbude. Da bleiben wir doch gerne und gönnen uns zum Abendessen auch gleich mal ein orientalisches Brötchen mit Fleisch.
Der nächste Tag wurde dann ausgiebig genutzt, um die Fahrt in den Norden zu organisieren und die Stadt ein wenig zu erkunden. Auch wenn wir aus Togo uns mit dem Baguette als normales Brot eigentlich nicht beschweren dürfen… das Ciabatta in Cotonou war doch nochmal ein Stückchen leckerer. Wie hier üblich konnten wir die Fahrt über Kontakte organisieren, das heißt wir kauften uns Tickets für den Bus. Bei dieser Verkaufsstelle wurde uns ein Reisebüro empfohlen, wo uns wiederum die Nummer eines Herrn gegeben wurde, der dann wiederum zu uns in eine Cafeteria kam. Wir sprachen mit ihm, er tätigte ein paar Anrufe und wenige Minuten später hatten wir einen Guide für den Besuch des Nationalparks engagiert und auch ein Hotelzimmer war gebucht. So konnten wir dem nächsten Teil unserer Reise entspannt entgegen schauen und am Abend noch einmal die Döner des Nachbarn genießen.
Cotonou kam uns ein bisschen wie ein besseres Lomé vor. Genau wie im Januar in Accra kam auch hier endlich mal wirklich Großstadt-Atmosphäre auf und das was Robin (auch Freiwilliger in Lomé) als „Cotofou“ (fou=verrückt) beschimpfte, genossen wir als den ganz normalen Großstadtstress. Autobahnbrücken und mehrstöckige Häuser findet man in Lomé doch eher weniger, und auch das übrige Stadtbild Cotonous liess hinter allem ein bisschen mehr Kapital vermuten.
Bereits früh am Morgen ging dann die Fahrt in den Norden los, wo uns dann eher das komplette Gegenteil erwartete. Die Fahrt verlief problemlos (außer das wir Maggie nach dem Mittagessen fast zurückließen), bis zu dem Punkt als ein Reifen des Busses ein Loch hatte. So mussten wir dann Pause machen, um den Reifen zu wechseln, was noch eine Stunde länger warten bedeutete. Als wir dann ankamen, fielen wir aus dem Bus sozusagen direkt in unser Hotel, das noch so neu war, das es sich außen und teilweise auch innen im Rohbau befand. Wir hatten aber ein bereits fertig gestelltes Zimmer und einen tollen Blick auf Unmengen von Fledermäusen, die auf Beutejagd gingen.
Unsere Fahrt durch den Pendjari Nationalpark begannen wir am frühen Morgen. Den ganzen Tag ging es auf dem Dach des Jeeps unter Afrikas Sonne über Holperpisten vorbei an Gazellen, Antilopen, Warzenschweinen, Pavianen und anderen Affen, Vögeln, Elefanten und einem Büffel. Unser Guide war sehr nett und entdeckte die Tiere grundsätzlich vor uns. Am Nachmittag kehrten wir dann zum Hotel zurück, kauften noch ein bisschen ein und befreiten uns vom roten Staub, der überall an uns haftete.
Der Norden Benins ist sehr durch die muslimische Religion geprägt und wir drei blonden, weißen Frauen OHNE Kopftuch fielen doch ziemlich auf. In den wenigen Tagen, die wir dort im Norden verbrachten, wurden wir mit einer krassen Armut konfrontiert. Natürlich ist die Frage, wo man die Grenzen zwischen verschiedenen „Stufen“ zieht, aber ich bin mir doch ziemlich sicher, dass es den armen Leuten in den Städten oft noch besser geht, als den Menschen, die uns hier begegneten. Im Nachhinein kann ich leider nicht mehr die Gedanken zum Thema Armut wiedergeben, die mich damals beschäftigt haben, da schon zu viel Zeit vergangen ist und ich leider damals nichts dazu aufgeschrieben habe. Dennoch war es doch sehr krass, mitzuerleben, wie man von mehreren Kindern ohne Unterlass angebettelt wird, das Menschen kilometerweit laufen müssen, um bis zum nächsten Dorf zu gelangen, Kinder zu sehen, die aufgrund von Mangelernährung Blähbäuche haben oder eben auch einen solchen Streit mitzuerleben, wie ich gleich beschreiben werde.
Die Rückfahrt nach Togo war dann sehr abenteuerlich: Zunächst ging es mit einem jungen Fahrer, dem irgendwann regelmäßig die Augen zufielen, in die nächste größere Stadt. Froh dort heil angekommen zu sein, tranken wir erst einmal einen Kaffee und wurden Zeugen eines Streits um 25 F CFA! ( das sind 4 Cent!!). Den geplanten Museumsbesuch ließen wir ausfallen und fuhren mit dem nächsten Taxi weiter in die nächste Stadt. Dort wurden wir dann in ein anderes Taxi gesetzt zusammen mit 4 muslimischen Damen und einem Zicklein, das im Kofferraum kläglich schrie. Danach ging es etwas schleppender weiter. Eigentlich hatten wir schon unsere Plätze im Taxi zum Grenze überqueren gesichert und mussten nur noch auf weitere Fahrgäste warten. Doch dann kam ein Taxifahrer an, der mehr zu sagen hatte, und daher beanspruchte uns zu fahren. Das hieß also umpacken und noch einmal ein paar Stunden warten. So kamen wir wenigstens dazu Reispâte zu probieren, was ich im Nachhinein nicht missen möchte! Soo lecker! Nach stundenlangem Warten wurde uns dann gesagt: „Ok, fahrt doch mit dem mit.“ Toll, das hätte man uns ja auch schon früher sagen können! So ging es dann also endlich an die Grenze. Diese war klein, einsam und sehr entspannt. In Kara, der Stadt aus der die Präsidentenfamilie stammt, fanden wir leider erst beim dritten Versuch ein Hotel. Dort durften wir dann leider nicht zu dritt ein Zimmer belegen, aber da es preislich nicht mehr kostete als wir für die Zimmer in Benin gezahlt hatten, stimmten wir zu. Wir ließen den Abend dieses anstrengenden Tages entspannt mit etwas Pâte essen bei einer netten Mama und Getränken im Garten unseres Hotels ausklingen.
Am einzigen Tag, den wir komplett in Kara verbrachten, besorgten wir uns Tickets für die Rückfahrt nach Lomé und konnten unserem Second-Hand-Shopping-Drang nicht widerstehen,
So kamen wir dann nach ungefähr einer Woche, aufgrund der langen Busfahrt durch ganz Togo mit nur einer Pause und musikalischen Foltermethoden ein bisschen zerknautscht, im Großen und Ganzen aber doch sehr entspannt wieder in Lomé an. Es war wirklich eine sehr schöne Reise mit den beiden Mädels, die ich sehr genossen habe!
Kaum war ich angekommen, war gleich eine Sitzung zur Vorbereitung der Märchenausstellung angesetzt. Die Tage bis zum 05. Juni waren also gut gefüllt mit der Vorbereitung dieser Ausstellung, die auf ihrer Tournee durch die Goethe-Institute der Welt nun in Lomé Halt machte.
Am 24.Mai verbrachten wir dann aber zunächst einen letzten Abend mit Maggie. Die Stimmung war leider sehr gedrückt und als Chiara uns dann auch noch mitteilte, dass ihr Gastvater nach zwei Wochen Krankenhausaufenthalt nun verstorben war, wusste keiner mehr, was er noch sagen soll. So gingen alle relativ früh und vor allem sehr traurig nach Hause. Am folgenden Tag nahmen wir dann am Flughafen Abschied von Maggie und fuhren anschließend zu Chiara nach Hause, um der Familie unser Beileid auszusprechen. Viele Menschen saßen im Flur des Hauses und sorgten dafür, dass die Familie nicht alleine sein musste. Was genau der Tod des Vaters für die Familie bedeutet, kann ich mir bis jetzt noch gar nicht richtig vorstellen.
Ab dem26.Mai war Julius für eine Woche zu Besuch bei Chiara, Ihn hatten wir auf unserer Ghana-Reise kennengelernt, da er in Cape Coast Freiwilliger ist und auch auf unserem Zwischenseminar war. Leider sah ich die beiden in dieser Woche nicht besonders oft, da ich mit der Ausstellung viel zu tun hatte und zusätzlich auch noch begann mich mit zwei Schülergruppen der Terminale-Klasse zu treffen, um diesen bei der Vorbereitung auf das BAC II zu helfen, welches in der ersten Juli-Woche ansteht.
Ab dem 5. war dann die Märchenausstellung eröffnet und wir arbeiten seit dem abwechselnd als Gruppenführer dort. Das Interesse ist groß und die Ausstellung ist auch wirklich sehr spannend gestaltet.
2 Wochen nach dem Tod von Chiaras Gastvater, fand dann die Beerdigung statt. Wie hier üblich, wurde vor dem Haus auf der Straße ein Zeltdach aufgestellt unter dem Plastikstühle für alle Gäste Platz fanden. Ich habe hier schon oft solche Dächer gesehen, doch selten war es so groß wie bei diesem Anlass. Am Freitagabend versammelten sich alle zur Totenwache. Es wurde viel geredet, gebetet und von verschiedenen Chören gesungen. Der Leichnam war im Wohnzimmer aufgebahrt, welches zuvor ganz leergeräumt und mit weißen Stoffen dekoriert wurde. In einer endlosen Reihe gingen nacheinander alle Gäste einmal um den Sarg. Nach meinem Verständnis hat das nicht besonders viel mit Würde zu tun, aber vielleicht war das auch gar nicht der Hintergedanke dabei, Zum Abschluss gab es dann noch für alle eine Portion Kom mit Soße zu essen und gegen 23 Uhr kam ich dann nach Hause,
Am Samstag ging dann die Zeremonie bereits morgens um 7 Uhr weiter. Am heutigen Tage trugen alle Kleidung aus dem gleichen Stoff, der von der Familie ausgesucht wurde. Es wurde wieder gesungen, geredet und gebetet, für mich leider nicht verständlich, da auf Mina. Dann gingen zunächst die Kinder (immerhin beinahe zehn an der Zahl!) ins Haus, um sich von ihrem Vater zu verabschieden und anschließend die Frauen (ja, richtig, die Frauen, hier in Togo ist Polygamie erlaubt und auch in der Gesellschaft sehr präsent.). Dann wurde der Sarg geschlossen und noch ein paar mal durch die Menge getragen, bevor er ins Auto geladen wurde, Für alle, die mitwollten, ging es dann im Bus nach Aného, wo das Begräbnis stattfand. Die Ehefrauen fuhren nicht mit, nur die Kinder trugen ihren Vater zu Grabe. Nach dem Begräbnis ging es dann wieder zurück zum Haus, wo es viel zu essen und zu trinken gab und die Stimmung dann auch nicht mehr so traurig war, wie noch am Morgen und am Vortag.
Seit Mai herrscht hier in Togo Regenzeit, was sich zwischenzeitlich als ziemlich nervig rausstellte. Gerade am Anfang dieses Monats war es nämlich so, dass es fast jeden Tag geregnet hat. Oder aber die Straßen, waren gerade mal nicht mehr so sehr von Pfützen bedeckt, und schon kam der nächste Regenguss der wieder alles im Chaos und vor allem im dreckigen Wasser versinken lässt. Des öfteren versuchen die Leute nämlich die Schlaglöcher in ihren Sandstraßen mit Müll aufzufüllen, was den wunder baren Nebeneffekt hat, das das Wasser der Pfützen so schwarz wird, das man Angst bekommt, krank zu werden, wenn man nur damit in Berührung kommt. So genieße ich jeden einzelnen Sonnenstrahl und hoffe auf ein baldiges Ende dieser Jahreszeit, die zusätzlich noch Erkältungen und Kälte mit sich bringt.