Krankenhaus, Kumasi und Kleider
Dichter Nebel, helle Scheinwerfer, laute Musik und viele Menschen tanzen und jubeln im Musikvideo, das über die Fernsehbildschirme der togoischen Nation flimmert. Alle fiebern auf die Spiele IHRER Mannschaft ( „les éperviers“ = „die Sperber“) beim Cup of African Nations 2013 hin und unterstützen diese, wo sie nur können. Da wird auch vor 19-jährigen, dunkelblonden deutschen Freiwilligen nicht haltgemacht und wer nicht aufpasst, hat bald schon eine grün-gelb gestreifte Flagge um den Hals gehängt und kann sich eine Woche später selbst im Fernseher betrachten – ja so schnell und ohne eine Chance auf Gegenwehr wurde ich zum Videostar und hatte somit in der folgenden Zeit mehrmals die Gelegenheit den Schülern zu bestätigen, dass das wirklich ich war, die da zwischen all den Togolesen als einzige sichtbar erkennbare Ausländerin im Bild auftaucht.
Wider Erwarten schaffte Togo es übrigens zum ersten Mal in der Geschichte in der Vorrunde NICHT auszuscheiden, scheiterte dann aber leider im Viertelfinale gegen Burkina Faso (welche wiederum dann bis ins Finale vorzogen, dort allerdings gegen Nigeria verloren).
Bevor ihr euch jetzt alle auf Youtube die Finger wundklickt auf der Suche nach dem Video, gibt’s den Link hier schon: http://www.youtube.com/watch?v=JUrnv9zLOg8 (C’est gratuit =) )
Zum ersten Mal in meinem Leben verbrachte ich dann in der folgenden Zeit auch mehrere Stunden beim Friseur. Die Nachbarin meines togoischen „Cousins“ machte mir, mit Unterstützung ein paar anderer Frauen und Mädchen, Tresse, flocht mir also die Haare. Ich saß ganz 7 ½ Stunden bis es fertig war und war sehr erleichtert, dass die Schmerzen, die mir alle prophezeit hatten, ausgeblieben waren. In den ersten Tagen waren die Kunsthaare durch ihr zusätzliches Gewicht eine ständige Belastung für die Kopfhaut, aber das ließ zum Glück irgendwann auch nach. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis gewesen – das lange Warten hatte sich gelohnt.
Direkt am folgenden Tag ging es dann für Chiara und mich ab nach Ghana. Nach ungefähr 5 Monaten trafen wir July, Jerry und Jessy wieder. Wir übernachteten eine Nacht bei ihnen in Accra im OSDA-Haus und fuhren dann am 18.01. mit dem Trotro weiter nach Cape Coast, wo wir ein schönes Wochenende verbringen wollten.
Mit einem vollkommen überteuerten Taxi kamen wir bei unserer Unterkunft an, dem Oasis BeachResort. Dieses liegt direkt am Strand und konnte neben viel Party, leckeren Pizzas und einer Hängematte zwischen Palmen auch Freiluftduschen unter Palmen bieten. All diese schönen Dinge konnte ich jedoch nicht wirklich genießen, da ich ab diesem Abend erst mal krank war und so schon froh war, wenn ich ein paar Minuten die Kraft hatte in meinem Bett zu sitzen.
Schließlich ging ich Sonntagnachmittag ins Krankenhaus, wo ich über Nacht blieb, da ich neben der (wahrscheinlichen) Malaria auch noch dehydriert war. Somit blieben wir also noch bis Dienstagmorgen in Cape Coast. Cape Coast werde ich immer mit ein paar ganz besonderen Menschen verbinden:Dort leben Ali und Mirko, die im Oasis das Sagen haben. Sie haben sich beide sehr gut um mich gekümmert, mich mit Medikamenten und Shuttleservice zum Krankenhaus versorgt und behandelten uns so, als wären wir Freunde und nicht ihre Gäste. Für diese überwältigende Hilfsbereitschaft kann ich ihnen nicht genug danken und es war wirklich traurig, dass wir uns dann schon wieder von ihnen und diesem paradiesischen Ort verabschieden mussten.
Am Dienstagnachmittag kamen wir dann also bei unserem Zwischenseminar in Kumasi an. Dieses wurde geleitet von 2 ehemaligen Freiwilligen von bezev. e.V. . Wir waren eine Gruppe von ungefähr 20 Leuten, die mit verschiedenen Entsendeorganisationen in Ghana und Togo gelandet waren. Bis zum 25.01. ging unser Programm, wir beschäftigten uns mit den Konflikten und Erfahrungen, die uns in unserer Zeit hier begegnen und versuchten mit den anderen Lösungen für die vorhandenen Probleme zu finden. Auch das Thema Fair Trade und motivierende Worte und Aktionen für die kommende Zeit kamen nicht zu kurz. Besonders interessant war für mich außerdem der Besuch einer Kente-Weberei mit zugehöriger Kakaofarm. Wir waren eine tolle Gruppe, die viel Zeit beim „Werwolf“ spielen verbrachte (… die Vorbereitungsseminare lassen grüßen).
Am Abend des 25.01. besuchten wir gemeinsam ein indisches Restaurant und machten uns dann am folgenden Tag nacheinander alle wieder auf den Weg.
Gemeinsam mit den Accra-Mädels (Lena, Marlene, July und Jessy) fuhren wir dann zum Lake Bosumtwe. Dies ist ein großer See, der wohl durch einen Meteoriteneinschlag entstanden ist und durch aufsteigende Gase einer der wenigen Seen ist, der explodieren kann. Dies geschah zum Glück an dem Wochenende, das wir dort verbrachten nicht und so konnten wir dort Natur und Stille genießen, soweit wir diese nicht selbst störten. Chiaras Plan um den See zu wandern, wurde schließlich abgekürzt auf eine Wanderung bis zur Unterkunft der 4 Freiwilligen aus Cape Coast, die wir auf dem Seminar kennengelernt hatten und die nun auch noch das Wochenende am See verbrachten. Als Ausritt braucht man um den See ungefähr 9 Stunden, das wollten wir uns zu Fuß dann doch nicht antun.
Unser Wochenende in der Region von Kumasi beendeten wir auf dem großen Markt von Kumasi ( so groß wie 14 Fußballfelder!), wo wir uns mit neuen Stoffen eindeckten.
Nach einem Tag in Accra machten wir uns dann am Mittwoch wieder auf den Heimweg. Wir passierten die Grenze während Togo das letzte Vorrundenspiel absolvierte und ich kam 5 Minuten vor Spielende im Wohnzimmer meiner Gasteltern an. Der Jubel war natürlich riesengroß, als Togo es schaffte weiterzukommen.
Gleich am darauffolgenden Freitag Chiara, Julien (mein Gastbruder) und ich mit zwei Mädchen aus Chiaras neuer Gastfamilie nach Kpalimé. Dort fand am Wochenende ein kleines Reggaefestival statt, dass durch eine Organisation, die den hiesigen Verhältnissen angepasst war, noch kleiner wurde. Wir waren im Haus des Organisators und seiner Frau untergebracht, die eine Freundin von Rosaline (Chiaras Gastschwester) ist. Am Samstag machten wir mit den beiden Mädels ein paar Besorgungen auf dem Markt, später wurde dann Fufu gemacht – und einige Hühner mussten an diesen Tagen leider auch ihr Leben lassen. Am späten Abend fuhren wir dann ins Stadion von Kpalimé, wo das Festival stattfand. Obwohl das Programm eigentlich schon 4 Stunden zuvor hatte anfangen sollen, stand noch niemand auf der Bühne. Irgendwann ging es dann aber doch los und ein Reggaesänger nach dem anderen, brachte sein „Yah, Rastafara..“ unter die Leute. Durch Zufall trafen wir Lisa an diesem Abend. Wir hatten sie auch auf dem Zwischenseminar kennengelernt. Als wir bei ihr standen, kamen nach und nach ein paar Jungs zu uns mit denen sie an der Gehörlosenschule gearbeitet hatte. Für mich war es eine ganz neue und sehr spannende Erfahrung mit Menschen zu kommunizieren, die sich nur über Gebärdensprache verständigen und zu sehen, dass dies auch ohne Probleme funktionieren kann.
Am nächsten Tag machten wir einen Spaziergang zu einem der vielen Wasserfälle in der Nähe Kpalimés. Im Anschluss wollten wir eigentlich direkt nach Lomé zurückfahren. Wir machten zunächst noch Halt beim Stadion, um uns zu verabschieden. Als wir dann dort waren, nahmen gerade alle Platz, um das Spiel Togo gegen Burkina Faso zu schauen. Es wurde der Beschluss gefasst, auch dort zu bleiben, um das Spiel zu schauen. Später stellte sich dann heraus, dass wir kein Taxi mehr zurückbekommen würden und so blieben wir noch einmal in Kpalimé und fuhren dann am nächsten Morgen um halb 5 los.
Anlässlich einer Gedenkfeier für viele verstorbene Menschen, bekam ich dann bald darauf mein erstes maßgeschneidertes Kleid. Zu dieser Gedenkfeier waren Chiara und ich von ihrer Gastfamilie eingeladen worden. Diese fand am Sonntag, 10.02. statt in einem Dorf zwischen Aného und der Grenze zu Benin. Hier ist es so üblich, dass zu solchen Feiern, die auch Jahre nach dem Tod der verstorbenen Personen stattfinden können, die einladenden Familienangehörigen, einen Stoff aussuchen, den sich dann alle Gäste kaufen, um sich daraus ein Kleidungsstück schneidern zu lassen, dass sie bei der Feier tragen. So tragen am Festtag dann alle den gleichen Stoff, aber jeder doch so wie er es schön findet. Die Feier selbst bestand eigentlich nur aus einem großen Zelt (Zeltdach auf Stangen), wo kurz etwas gesagt wurde und anschließend viel gegessen. Es war auch eine große Chor- und Trommelgruppe angereist, diese musizierte allerdings nur am Rand. Auch wenn ich dachte, wir würden bei dieser Feier mehr erleben, so ist es doch schön, dass wir durch Chiaras neue Familie nun neue Orte und Ereignisse des Lebens hier in Togo kennenlernen können.